Dein Pferd steht „unter Strom“ – und Du auch? Du fühlst Dich, wie auf einem Vulkan, der gleich ausbricht? Was passiert da – und wie gelingt der Cool down?

Hier findest Du einige neurowissenschaftlich und psychologisch fundierte Gedanken und Erkenntnisse sowie praktische Beispiele und Tipps, die Dir weiterhelfen können!

Wenn Reiter sagen:

  • „Ich traue mich schon nicht mehr, in den Parcours zu reiten – sobald mein Pferd die Glocke hört, kann ich es nicht mehr beruhigen!“
  • „Schon wenn mein Pferd beim Turnier aus dem Transporter kommt, steht es unter Strom – und es ist ein permanenter Kampf, die Kontrolle zu behalten!“
  • „Ich bin schon selbst so angespannt, wann er wohl wieder wegspringt?! An fokussiertes Reiten ist da nicht zu denken!“

Dann macht es Sinn, sich hier systematisch Gedanken zu machen!

Hier finden Sie den Beitrag „Ritt auf dem Vulkan – wie der Cool down gelingt“ als Audio-Datei!

Hier eine Kurz-Zusammenfassung für Eilige!

Stell Dir vor, Dein Pferd ist angespannt und Du auch – und jetzt geht es darum, auf dem Turnier eine gute Performance zu erzielen, wie gut gelingt Euch das?

Du weißt: Reiter und Pferd bilden eine Einheit, beide beeinflussen sich gegenseitig. Je angespannter und aktivierter das Pferd, umso mehr geht oft auch der Reiter in eine Anspannung – und umgekehrt.

Manchen Reitern ist die eigene Anspannung oder sogar Angst oft durchaus bewusst, sie können sie aber nicht abstellen.

Vielen Reitern, oft auch den erfahrenen bzw. Profi-Reitern, sind die eigenen inneren Muster nicht oder nur teilweise bewusst. Man reitet unterschiedliche Pferde und weiß prinzipiell, dass Pferde unterschiedliches Temperament haben. Gerade junge Pferde und hoch motivierte Turnierpferde haben eine natürliche Grundaktivierung und werden auf dem Turnier in neuer Umgebung oft sehr „heiß“. Die Aktivierung des Pferdes wird dann als „normal“, wenn auch manchmal als „lästig“ oder „ärgerlich“ bewertet, und man geht aber zuversichtlich davon aus, dass sich das mit der „Gewöhnung“ legt und die Performance robuster wird. Und: das ist auch oft der Fall – Geduld zahlt sich hier aus.

Allerdings ist eine robuste Performance an vier Voraussetzungen geknüpft, die alle vier wichtig und relevant – aber nicht immer vorhanden sind. Diese gilt es zu verstehen und zu beachten. Gleichzeitig ergeben sich daraus auch vier Optionen und Strategien für den „Cool down“, je nachdem welche Faktoren für das spezielle Pferd-/ Reiter Team relevant sind.

Die Grundfragen bzw. vier Voraussetzungen sind dabei:

1. Gibt es innere Muster oder Erlebnisse, die Anspannung, Aktivierung oder sogar Angst aufrechterhalten?

2. Gibt es negative Erlebnisse aus der Vergangenheit, die emotional in die Gegenwart „reinfunken“?

3. Gibt es professionelle Trainings- und Vorbereitungsstrategien für den Cool down, ggf. auch unterstützt durch neurowissenschaftliche Erkenntnisse und Strategien aus anderen Disziplinen, z.B. Mentaltraining?

4. Sind Rahmenbedingungen wie Turnierorganisation, Timing, aber auch Themen wie mentale Vorbereitung, körperliche Verfassung von Reiter und Pferd optimal – oder fehlt es hier an wichtigen Komponenten wie Gesundheit, Energiereserven und Selbstfürsorge?

Jetzt im Detail:

Vier Voraussetzungen für eine robuste Performance und gezielten „Cool down“, gerade bei sehr aktvierten Reitern und Pferden:

1. Es gibt keine bewussten oder unbewussten Muster beim Reiter, die die Anspannung verstärken oder sogar Angst zur Folge haben. Anspannung und Aufregung, und eigene Befürchtungen verstärken sich selbst, ein Teufelskreis!

Es spielen die oft sehr nachvollziehbaren Befürchtungen eine Rolle „wenn er jetzt wieder wegspringt, kannst Du die Prüfung vergessen!“. Verstärkt wird die Anspannung oft durch ungünstige Performance Muster oder Gedanken wie „heute geht es um etwas, da will ich abliefern!“ Oder auch: der Wille es besonders gut zu machen oder ungünstige Erwartungen an sich oder von anderen. Vielen Reitern ist nicht klar, warum der Wille, es besonders gut zu machen oder der Fokus auf ein gewünschtes Ergebnis, ungünstig sein soll. De facto lenken alle genannten Aspekte von einer fokussierten Präsenz im Hier und Jetzt ab und beschäftigen sich schon mit möglichen Konsequenzen des Rittes in der Zukunft.

Ein Aufschaukeln und möglicher Teufelskreis beginnt dann, wenn die Anspannung beim Reiter aus Angst vor Kontrollverlust ungünstige Reaktionen auslöst, z.B. die Zügel zu fest anziehen und unter Dauerspannung halten, und das wiederum zur erhöhten Spannung beim Pferd führt und noch mehr „Zug“ beim Reiter auslöst.

2. Es gibt keine ungünstigen, emotional besetzten Erlebnisse in der Vergangenheit, die unbewusst „reinfunken“, und zwar bei Reiter und Pferd. Das müssen keine potenziell traumatischen Erlebnisse wie Stürze sein, oft sind es die „kleinen“ Erlebnisse. Ein Beispiel beim Reiter wäre eine Prüfung, bei der das Pferd aus Gründen der Anspannung weggesprungen ist oder man beim Springen einen Abwurf oder eine Verweigerung kassiert hat und man sich als Reiter über die verschenkte Chance geärgert hat. Oder auch negatives Feedback aus dem Umfeld „Dein Pferd hast Du noch nicht so richtig im Griff, das muss besser werden!“ oder „bin gespannt, wann deine Stute die Aufgabe mal konzentriert durchläuft, die ist ganz schon zickig“. Oder beim Pferd: ein Sonnenschirm, eine flatternde Plane, ein im Parcours umfallende Seitenbegrenzung des Hindernisses, auf die das Pferd mit Angst und Erschrecken reagiert und sich nicht mehr fokussieren beruhigen lässt.

3. Es gibt professionelle Trainings- und Vorbereitungsstrategien, die gezielt den Cool down des Pferdes unterstützen, es nicht unbewusst im aktivierten Zustand lassen oder sogar wieder „aufheizen“. Oft steckt die Tücke in den Kleinigkeiten. Das Pferd „zappelt“ in der Dressuraufgabe beim Halten, beim Einreiten und vor dem Rückwärtsrichten und man nimmt sich nicht die Zeit, zu warten bis es ordentlich steht. Oft wird schnell wieder losgeritten, um das „Zappeln“ zu kaschieren, das rächt sich oft in der nächsten Prüfung. Das Pferd lernt „wenn ich nur genug zapple, geht es gleich wieder los“. Oder das Pferd wird in aufgeheiztem und aktivierten Zustand, z.B. nach einem Ritt auf dem Turnier, einer Ehrenrunde oder auch im Training, dem Pfleger in die Hand gedrückt, ohne systematischen „Cool down“ mit dem Reiter. Was lernt das Pferd? Wenn der Pfleger oder die Pflegerin sich liebevoll um das Pferd kümmert und es wieder zur Ruhe kommt, verknüpft das Pferd die Entspannung mit dem Pfleger, nicht mit dem Reiter. Das Pferd weiß instinktiv: Wenn mein Reiter kommt, dann geht es los, dann machen wir Action! Der letzte Eindruck des Zusammenspiels von Reiter und Pferd ist der, der beim Pferd am meisten zählt, und man nimmt ihn in die nächste Prüfung mit.

4. Die Rahmenbedingungen sind optimal gestaltet – Es gibt keine Rahmenbedingungen, die die Anspannung weiter verstärken. Anspannung wird oft begünstigt durch zusätzlichen „Stress“, wie z.B. schlechtes Timing bei der Vorbereitung, zu spät dran sein, Hektik, Probleme mit Ausrüstung, Hitze etc.. Aber auch persönliche Lebensumstände wie Überlastung im Alltag, zu viel „Last auf den Schultern“ oder andere körperliche Themen, psychosomatische Beschwerden, Energieverlust, Beziehungskonflikte etc. können dazu beitragen, dass sich Anspannung weiter verstärkt.

Vier Strategien für den „Cool down“

 1. Innere Muster, die Anspannung verstärken oder Angst hervorrufen, erkennen und optimieren

Manchmal ist schon relativ klar, welche inneren Dialoge oder „Muster“ vorhanden sind, oft gilt es diese aber erst herauszufinden, gerade dann, wenn nicht klar ist, ob und ggf. was der Reiter zur Anspannung im Team „Reiter und Pferd“ beiträgt. Eine wirksame Methode (unter mehreren) ist die sog. „Zeitlupentechnik“ aus der Hypnotherapie, eine „Selbsthypnosetechnik“, mit der man sich nach dem Ritt zur Analyse auf innere Muster während eines absolvierten Ritts fokussiert und sich quasi selbst, seinen inneren Mustern, in Zeitlupe auf die Schliche kommt.

Ein Beispiel dafür ist ein Springreiter, dessen Pferd im Parcours häufig 3x verweigert hat, nach dem Ausschluss aber beim Gehorsamssprung plötzlich problemlos gesprungen ist und hoch motiviert war. Was ist geschehen? Der Reiter hat sich dann innerlich gesagt „jetzt ist es eh egal“ und hat die körperliche Anspannung, die er vorher hatte, losgelassen und anders geatmet. Dadurch waren die Physiologie und körperliche Flexibilität des Reiters eine andere und die Performance hat wieder gestimmt. Was kann man jetzt tun? Wie kann man diese Erkenntnis nutzen? In der mentalen Vorbereitung, z.B. mittels Visualisierung und „Drehbuchtechnik“ ( siehe dazu auch hier auf der Website im Podcast bzw. im Artikel der Reiter Revue, https://dunja-lang-mentalcoaching.de/medien/ ) kann hier ein „Anker“ gesetzt werden, damit die Physiologie und mentale Haltung des Reiters von vorneherein stimmig sind. Man schneidet quasi aus dem inneren Film das ungünstige Muster heraus und aktiviert das günstige Muster. Dazu war in diesem Fall die Arbeit an den eigenen Ansprüchen und Erwartungen und der Umgang mit dem Feedback aus dem Umfeld ein wichtiges Thema.

2. Ungünstige, emotional besetzte Erlebnisse in der Vergangenheit, die unbewusst „reinfunken“, erkennen, bearbeiten und emotional „neutralisieren“ und 3. Körper und Geist von Pferd und Reiter „entstressen“ und „herunterfahren“.

Die schnellste und einfachste Methode, um emotional ungünstige Erinnerung zu „neutralisieren“ und den „Cool down“ zu fördern, ist PEP®- Prozess- und Embodimentfokussierte Psychologie, was als Methode bereits an anderer Stelle beschrieben wurde.  https://dunja-lang-mentalcoaching.de/aengste-uberwinden-mit-pep/

Erinnerungen an Vergangenes sind immer mit Emotionen verbunden, bei Reiter und Pferd. Das macht evolutionär Sinn, weil unsere Sinne ständig unbewusst unsere Umwelt „scannen“, ob eine „Bedrohung“ vorliegt oder wir in Sicherheit sind, körperlich und emotional. Diese Sinneseindrücke werden mit gespeicherten Erfahrungen abgeglichen. Wenn etwas einmal als „bedrohlich“ oder „aktivierend“ erlebt wurde, wird ein ähnliches Erlebnis ebenso bewertet. Wenn beispielsweise eine flatternde Plane zum Erschrecken bei Reiter und Pferd geführt hat, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass ein neues ähnliches Erlebnis auch ähnliche Reaktionen auslöst, und zwar nicht erst dann, wenn „es“ flattert, schon die Erwartung und Vorstellung, was passieren könnte, ruft als die entsprechende Physiologie bei Reiter und Pferd hervor! Diese automatisierte Verhaltensweise ist in unbewussten Arealen im Gehirn gespeichert, und wird auch automatisiert abgerufen. Der Körper erlebt sich quasi in gegenwärtiger Gefahr, obwohl das Erlebnis, das dem Gefühl zugrunde liegt, in der Vergangenheit liegt.

Deswegen weiß man oft nicht bewusst, was das „Muster“ und das Thema ist und auch klassische kognitive Mentaltechniken helfen da nicht. Beim Pferd sowieso nicht, aber auch beim Reiter gilt: bei „Stress“ fällt das bewusste Denken über das „Frontalhirn“ aus. Stress macht quasi „dumm“ und reaktionsunfähig.

Da Gefühle zu einem guten Teil aus Körperwahrnehmungen bestehen und mit der Ausschüttung des Stresshormons Cortisol einhergehen, ist es daher nur logisch, den Körper bei der Auflösung von Ängsten und Blockaden mit einzubeziehen. Bei PEP® wird diese ehemals bedrohliche Erinnerung aufgerufen und in kurzer Zeit so leicht und spielerisch bearbeitet, dass sie als „sicher“ wahrgenommen und auch real erlebt und gefühlt wird. Die Technik geht also nicht über das bewusste Denken, sondern setzt direkt am Körper an.

Zu den Techniken gehören sog. „Klopftechniken“, bei denen der Körper über den Vagusnerv „herunterreguliert“ wird. Der Vagusnerv kann direkt über die Gesichtshaut, über den Trigeminus-Nerv aktiviert werden. Es gibt auch eigene „Mechanorezeptoren“ in der Haut, die emotional regulierend und als „Sicherheitssignale“ wirken, wenn man sie richtig nutzt.

Dazu kommt bei PEP® eine Verbesserung der Selbstbeziehung und der Selbstwirksamkeitserfahrung sowie auch sog. „Reprozessing“-Techniken, die alte Muster auflösen, so dass häufig schon in einer einzigen Coaching Session emotional belastende oder „nervige“ Reaktionen neutralisiert werden können. Wie schnell das gehen kann und wie wirksam PEP® ist, hat Amanda aus Sportlersicht eindrucksvoll beschrieben: https://dunja-lang-mentalcoaching.de/kundenstimmen/

Der ventrale Vagus und die Polyvagaltheorie von Steven Porges

Der ventrale Vagus wird auch Selbstheilungsnerv genannt. Stephen W. Porges, Professor für Psychiatrie und Biomedizintechnik aus den USA, gründete 1994 die Polyvagal-Theorie und damit ein ganz neues Denken in Beziehung zu unseren automatisch ablaufenden Funktionen im Körper. Heute werden die Ergebnisse seiner Forschung erfolgreich vor allem in der Traumatherapie und im Umgang mit belastenden oder als negativen bewerteten Erlebnisse angewendet.

Wissenschaftliche Erkenntnisse dazu finden Sie auch hier: https://dunja-lang-mentalcoaching.de/angstreduktion_pep_forschung/

Coaching und Reiten als soziale Kommunikation wirkungsvoll gestalten

Ein ganz wesentlicher Aspekt der Etablierung von Cool down Strategien kommt der sozialen Beziehung und der entsprechenden Physiologie zu, im ersten Schritt zwischen Coach und Reiter, aber dann auch in angepasster Form zwischen Reiter und Pferd. Dazu gehört der direkte Blickkontakt, Gestik und Mimik, die direkte Face-to-Face Kommunikation. Wenn der Coach Entspannung und Zuversicht ausstrahlt, und auch körperlich kongruent und authentisch „wir bekommen das hin! Alles im grünen Bereich!“ signalisiert, dann ist das eine wichtige Voraussetzung für den wirksamen Cool down.

Entscheidend ist dabei die Stimme, viel mehr als der Inhalt des Gesagten. Dazu gehören die Merkmale Melodieverlauf, Sprechtempo, Lautstärke, Spannung und Stimmklang, die sog. „Prosodie“. Wir kennen das aus Vorträgen, Reden, Präsentationen: ein monotoner, mit wenig Varianz gestalteter Vortrag langweilt uns, unabhängig davon wie spannend die Inhalte sein mögen.

Wenn wir miteinander kommunizieren, und das gilt nicht nur für Menschen, sondern auch für Reiter und Pferd, verstehen wir uns nicht primär anhand der verwendeten Wörter und deren Bedeutungen. Denn durch die Schallform des Gesagten erhält der Empfänger wichtige Informationen. So kann in der Regel aufgrund der Stimmhöhe darauf geschlossen werden, ob der Sender ein Mann oder eine Frau ist, und es kann erahnt werden, wie alt er oder sie ist. Andere Merkmale der Stimme, beispielsweise die Sprechgeschwindigkeit, die Lautstärke oder die Stimmmelodie geben Aufschluss über die emotionale Verfassung des Senders, ob jemand entspannt oder gestresst ist.

Säugetiere, d.h. Mensch und Pferd verfügen über intuitive Wahrnehmung, auch über sog. „Spiegelneuronen“, und nehmen die „Energie“ des Gegenüber auf. Ein guter, trainierter Coach macht sehr viel mehr als „Technik“; die ganzen „Mental-Methoden“ nutzen nichts, wenn die gewünschte Haltung nicht auch „verkörpert“ wird.

Das ist im übrigen auch der Grund, warum man mit „Online-Coaching“ viel bewirken und erreichen kann, aber idealerweise nur in Verbindung mit persönlicher Begegnung und Coaching vor Ort. Allein die persönliche Präsenz und die Stimmlage machen einen Unterschied. Insbesondere hypnotherapeutisch ausgebildete Coaches trainieren immer wieder Sprechtempo, Intonation und die sog. „Mehr-Ebenen-Kommunikation“, mit der gezielt gleichzeitig das Bewusste Denken genutzt und auch Unbewusste adressiert und entspannt wird und auch günstige Muster automatisch aktiviert werden.

„Und während Du noch einmal bewusst die Aufgabe durchgehst, brauchst Du nicht bewusst zu wissen: genau dann, wenn sich etwas anspannt, bei Dir oder Deinem Pferd, dann kannst Du ATMEN, SCHWER sitzen, LOS LASSEN, und WEITER REITEN dahin schauen, wo Du hin willst….

Die Stimmlage verändert sich bei Audio-Aufnahmen und Online-Coaching, das muss man wissen und berücksichtigen und in den Gesamtcoaching Prozess einbauen.

Cool Down Strategien in der Kommunikation – Training und Turnier mit dem Pferd optimal gestalten

Reiter nutzen in der Kommunikation mit dem Pferd oft intuitiv ihre Stimme, mit einem langgezogen HOOOH oder LAAANGSAM, oder Klopfen ihr Pferd auf den Hals, um es zu beruhigen, leider bleibt es oft dabei.

Wie kann man jetzt die bisher beschriebenen Erkenntnisse zusätzlich nutzen?

Nicht nur Reiter, sondern auch Pferde können Erlebnisse neu Verknüpfen und sog. „Anker-Techniken“ nutzen. Hier ein Beispiel – unter vielen möglichen – wie die bisher genannten Erkenntnisse genutzt werden können:

Ein Springpferd ist auf dem Turnier extrem aktiviert und will im Parcours sofort „losstürmen“, die Reiterin bekommt das Pferd nicht ruhig. Hier gilt es schon im Training anzusetzen, indem das Training anders gestaltet wird und nicht permanent ganze Parcours oder Sprungfolgen angegangen werden, sondern Einzelsprünge, und das Pferd danach durchpariert, konsequent „heruntergefahren“ wird und neu fokussiert und ausgerichtet wird, auch mit Hilfe von Stimme, Körperberührung etc.

Erst dann wird der neue Sprung angegangen und es kommt naturgemäß beim nächsten Sprung die Anspannung wieder hoch, um danach sofort wieder heruntergefahren zu werden. Das entspricht der sog. „Fraktionierungstechnik“, die man u.a. aus der Hypnotherapie kennt. Es wird also in einer regulierten „Wellenbewegung“ das Pferd immer weiter heruntergefahren, wie eine Treppe, die man hinunterläuft, bis Pferd und Reiter fokussiert und entspannt ist, und erst dann wird der nächste Sprung angegangen. Das Pferd lernt dabei nicht nur: nach dem Sprung wird „heruntergefahren“, entscheidend ist die Anregung der Selbstregulation und Selbstberuhigung beim Pferd – und natürlich gemeinsam mit dem Reiter. Das Prinzip ist ähnlich wie bei Kalt-Warm-Wechselduschen nach der Sauna: der Körper lernt Resilienz und Stabilität durch Selbstregulationsschleifen in Intervallform. Das ist sozusagen das Gegenmuster zum „Aufschaukeln“, bei dem das Pferd aktiviert ist und „zappelt“ und aus dieser Physiologie immer weiter „unter Strom“ kommt. Das gleiche lässt sich sinngemäß bei Dressurpferden nutzen. Diese Wellenbewegung bzw. die „Fraktionierungstechnik“ kann und soll der Reiter auch ohne Pferd mental trainieren, idealerweise zunächst mit Coach, damit es in der Praxis automatisiert klappt, da gibt es spezielle „Verankerungstechniken“.

Jetzt werden einige sagen: aber ich kann doch im Turnier nicht nach jedem Sprung oder jeder Lektion durchparieren. Ja das ist richtig. Allerdings: wenn das im Training systematisch trainiert wird, und auch auf dem Abreiteplatz, dann steigt erfahrungsgemäß die Aufmerksamkeitsleistung und Fokussierung von Pferd und Reiter auch in der Prüfung. Die bei Reiter und Pferd verankerten Muster des „Herunterfahrens“ können mittels „Drehbuch-Technik“ in die Vorbereitung so integriert werden, so dass sie als „Impulse zum Cool Down“ automatisch auch in der Prüfung selbst aktiviert werden, wenn die Prüfung nicht unterbrochen werden kann und soll.

Erfahrungsgemäß ist auch bei sehr aktivierten Pferden ein signifikanter Cool Down möglich. Essentiell ist die genaue Analyse von Reiter und Pferd, welche Muster gibt es, wie „ticken“ Reiter und Pferd, und daraus die passende Strategie zu entwickeln.

Es ist eben ein großer Unterschied, ob sich Anspannung und Aktivierung verstärken, weil der Reiter Angst hat, die Kontrolle zu verlieren oder zu hohe Erwartungen an sich selbst hat. Ein anderer Fall ist es wiederum, wenn der Reiter vielleicht einfach etwas ungeduldig, weil er das Potenzial vom Pferd sieht und einfach gerne auf dem Turnier mit dem Pferd vernünftig „zum Reiten kommen“ möchte und er dann nachvollziehbarerweise etwas genervt ist, weil das Pferd eben auch „Nerven“ zeigt, z.B.  wegspringt oder auch unkonzentriert die Stangen im Parcours heruntertritt. Da braucht es jeweils eine andere Herangehensweise und Strategie, die man maßgeschneidert erarbeiten muss. Es zeigt sich aber: da ist oft mehr drin, als man denkt, und: die Arbeit lohnt sich, um das Potenzial von Reiter und Pferd zu realisieren und mit Spaß und Freude erfolgreich zu sein!

4. Last – but not least die bestmögliche Gestaltung von Rahmenbedingungen:

Oft vernachlässigt wird im Reitsport die bestmögliche Gestaltung von Rahmenbedingungen, oft ganz simpel z.B. Turnierorganisation, aber auch Timing und Equipment.

Wenn man sehr aktivierte und fordernde Pferde reitet, ist es auch besonders wichtig, mental gut vorbereitet zu sein, z.B. mittels „Drehbuchtechnik“. Aber auch die körperliche Verfassung, ausreichend Schlaf und Energiereserven spielen eine entscheidende Rolle. Reiten ist mental wie körperlich ein sehr fordernder Sport, oft fehlt es an der nötigen Selbstfürsorge, und eine Überlastung im Alltag schränkt die körperliche und mentale Flexibilität zusätzlich ein. Hier gilt es, bewusst Prioritäten zu setzen.

Dazu zum Abschluss noch eine Geschichte

Ein alter Häuptling sass mit seinen Enkeln am Lagerfeuer. Nach einer Weile des Schweigens sagte er: „Wisst ihr, im Leben ist es oft so, als ob zwei Wölfe im Herzen miteinander kämpfen. Einer ist ängstlich, schwach, mutlos und unzufrieden. Der andere hingegen ist kraftvoll, liebevoll, mitfühlend und voller Selbstvertrauen.“ „Und welcher der beiden gewinnt den Kampf?“ fragt ein Junge. „Der Wolf, den Du fütterst“, antwortet der Alte.

Alle vier genannten Voraussetzungen und Strategien tragen zum Erfolg bei, ich wünsche Dir viel Freude und Erfolg beim Reiten, nutze und nähre für Dich gute Strategien!

Ich freue mich auf Dein Feedback und Deine Fragen!