Wie du als Reiterin den mentalen Schalter umlegst: Weniger Zweifel, mehr Fokus

“Das schaffe ich nie.” “Mein Pferd macht das nur bei mir nicht.” “Die anderen sind einfach viel besser als ich.” oder “Ich weiß ja eigentlich, wie es geht, aber auf dem Turnier klappt es dann nicht.” Kommen dir solche Gedanken bekannt vor? Viele Reiterinnen und Reiter kennen diese leisen (oder lauten) Stimmen im Kopf, die Zweifel säen und das Selbstvertrauen untergraben. Doch hier kommt die gute Nachricht: Du musst nicht alles glauben, was du denkst!

Gerade im Reitsport, wo es um die feine Kommunikation mit einem Lebewesen geht und Fortschritte nicht immer linear verlaufen, können Selbstzweifel schnell überhandnehmen. Manchmal münden sie sogar in etwas, das als Impostor-Syndrom bekannt ist – das nagende Gefühl, Erfolge nicht wirklich verdient zu haben und dass man jeden Moment als “nicht gut genug” entlarvt werden könnte. Betroffene denken oft, alle anderen seien besser, souveräner oder talentierter, obwohl objektive Erfolge vielleicht eine andere Sprache sprechen.

Aber sind all diese zweifelnden Gedanken wirklich wahr? Und sind Zweifel per se schlecht?

Die zwei Gesichter des Zweifels: Nützliche Reflexion vs. destruktiver Nörgler

Es ist entscheidend zu verstehen, dass Zweifel nicht gleich Zweifel ist. Es gibt einen himmelweiten Unterschied zwischen konstruktiver Selbstreflexion, die uns wachsen lässt, und jenen niedermachenden Gedanken, die uns lähmen und in eine Negativspirale ziehen.

Der nützliche Begleiter: Konstruktive Selbstreflexion

Dieser Typ von Zweifel ist eher eine Art neugieriges Hinterfragen. Er hilft dir, dein Reiten und dein Training zu analysieren und zu verbessern. Er klingt eher so:

“Warum hat mein Pferd heute auf meine Hilfen nicht so gut reagiert? Lag es an meiner Handeinwirkung, meinem Sitz oder war es vielleicht abgelenkt?”

“Habe ich die Lektion heute gut genug aufgebaut?”

“Welchen kleinen Schritt könnte ich morgen anders machen, um meinem Ziel näherzukommen?”

Diese Art von Zweifel ist lösungsorientiert und handlungsbezogen. Er motiviert dich, genauer hinzusehen, dich weiterzubilden und neue Ansätze auszuprobieren. Er ist ein Zeichen von Engagement und dem Wunsch, ein besserer Reiter und Partner für dein Pferd zu werden.

Der innere Saboteur: Destruktive Selbstzweifel

Dieser Zweifler ist oft fies. Er greift nicht eine spezifische Situation oder Fähigkeit an, sondern oft deine ganze Person als Reiter. Seine Aussagen sind meist pauschal und negativ:

“Ich bin einfach ein schlechter Reiter.”

“Das lerne ich nie.”

“Mein Pferd mag mich nicht.”

“Es ist sowieso sinnlos, das wird nie was.”

Diese Gedanken sind problemfokussiert und personenbezogen. Sie führen oft zu Frustration, Demotivation und im schlimmsten Fall zur selbsterfüllenden Prophezeiung (self-fulfilling prophecy). Wenn du ständig denkst, dass du versagen wirst, gehst du angespannt und unsicher in die Situation, was die Wahrscheinlichkeit eines Fehlers tatsächlich erhöhen kann. Dein Pferd spürt deine Unsicherheit und reagiert entsprechend – was deine negativen Gedanken scheinbar bestätigt. Ein Teufelskreis!

Die Wurzeln tiefer Selbstkritik: Ein Blick in die eigene Geschichte und das Konzept des Introjekts

Manchmal ist dieser innere Kritiker besonders hartnäckig und laut. Übermäßige Selbstkritik hat oft tiefe Wurzeln in unserer Biografie. Psychologen bezeichnen den Mechanismus der Verinnerlichung äußerer Einflüsse und das Ergebnis dieses Prozesses als Introjekt. Das Wort stammt aus dem Lateinischen: ‘intro’ bedeutet ‘hinein’ und ‘(pro)iacere’ so viel wie ‘werfen’. Ein Introjekt ist also etwas, das von außen wie ein Pfeil ‘in uns hineingeworfen’ wurde und dann zu einem festen Bestandteil unserer Psyche wird, ohne dass wir es bewusst integriert oder auf seine heutige Gültigkeit überprüft hätten.

Wenn du beispielsweise in deiner Kindheit oder Jugend häufig Kritik erfahren hast – vielleicht von Eltern, für die keine Leistung je wirklich ausreichte, die stets das Haar in der Suppe suchten oder bei denen Fehler stärker gewichtet wurden als Erfolge – dann können sich diese äußeren, oft abwertenden Stimmen und Haltungen tief in dir festsetzen. Du ‘schluckst’ diese Kritik und die damit verbundenen Überzeugungen sozusagen unverdaut hinunter und machst sie zu deiner eigenen inneren Realität. Die ‘nörgelnden Eltern’ (oder andere prägende Bezugspersonen mit ihren Erwartungen und Verboten) wohnen dann symbolisch als kritischer Anteil in deinem Inneren weiter.

Das Tückische daran ist: Du glaubst, du selbst seist es, der da so hart mit sich ins Gericht geht.

Du denkst, diese abwertenden Gedanken (“Ich bin nicht gut genug”, “Das schaffe ich nie”, “Ich muss perfekt sein”) seien deine eigenen, authentischen Überzeugungen und Ausdruck deiner Persönlichkeit. In Wahrheit aber spricht hier oft das Introjekt – die unreflektiert übernommene, verinnerlichte Stimme der Eltern oder anderer Autoritäten von damals. Es ist, als würde man sich fragen, wie es in manchen Buchtiteln so treffend heißt: “Wer spricht denn da eigentlich in mir?” Ist das wirklich meine eigene, erwachsene Bewertung der aktuellen Situation, oder ist es ein Echo aus der Vergangenheit, das mein heutiges Erleben und Verhalten negativ beeinflusst? Das Erkennen dieses Mechanismus – dass es nicht unbedingt deine eigene, objektive Einschätzung ist, sondern ein verinnerlichtes Muster – ist ein entscheidender erster Schritt, um diesen alten ‘Aufnahmen’ ihre Macht zu nehmen und einen konstruktiveren, wohlwollenderen inneren Dialog zu entwickeln.

Wie unterscheidest du den Freund vom Feind?

Achte auf folgende Signale, um herauszufinden, mit welcher Art von Zweifel du es gerade zu tun hast:

MerkmalKonstruktive SelbstreflexionDestruktive Selbstzweifel (oft introjekt-basiert)
FokusSpezifische Situation, Handlung, TechnikGlobale Bewertung deiner Person, deines Talents
KritikansatzVerhaltensbezogen: “Mein Schenkeleinsatz war unklar.”Personenbezogen: “Ich bin zu ungeschickt dafür.”
EmotionNeugier, Lernbereitschaft, leichte UnsicherheitAngst, Frustration, Hoffnungslosigkeit, Scham
Ziel/AusrichtungLösungsfindung, Verbesserung, WachstumSelbstabwertung, Bestätigung negativer Überzeugungen
AuswirkungMotivation, neue Ideen, bessere PlanungLähmung, Vermeidung, Anspannung, Resignation
Sprache (innerlich)“Wie kann ich…?”, “Was wäre wenn…?”, “Vielleicht sollte ich…”“Ich bin immer…”, “Ich kann nie…”, “Es ist sinnlos…”

Was du selbst tun kannst: Strategien gegen den inneren Nörgler

Wenn du merkst, dass die destruktiven Selbstzweifel Überhand nehmen, bist du ihnen nicht hilflos ausgeliefert. Hier sind einige bewährte Strategien aus dem Mentalcoaching:

  • Bewusstes Wahrnehmen & Distanzieren: Der erste Schritt ist, diese Gedanken überhaupt zu erkennen. Sage dir innerlich: “Aha, da ist wieder dieser Gedanke, dass ich nicht gut genug bin.” Allein das Beobachten schafft schon eine kleine Distanz. Du BIST nicht dein Gedanke, du HAST einen Gedanken.
  • Hinterfragen wie ein Detektiv: Ist dieser Gedanke wirklich zu 100% wahr? Welche Beweise gibt es dafür? Gibt es Gegenbeweise? Was würde deine beste Freundin/dein Trainer dazu sagen? Handelt es sich um eine Kritik an deinem Handeln (veränderbar) oder an deiner Person (oft ungerechtfertigt pauschal)? Spricht hier wirklich deine erwachsene Einschätzung oder vielleicht ein altes Introjekt?
  • Umformulieren (Reframing): Versuche, den negativen Gedanken in einen neutraleren oder konstruktiveren umzuwandeln. Statt: “Ich bin eine Niete im Springen.” Versuche: “Ich fühle mich im Springen noch unsicher und werde an meiner Technik und meinem Gleichgewicht über dem Sprung arbeiten.”
  • Fokus auf Stärken und Ressourcen: Worin bist du gut? Was hast du schon alles gelernt und erreicht (mit deinem Pferd)? Erinnere dich an deine Erfolge, egal wie klein sie erscheinen mögen. Führe vielleicht sogar ein Erfolgstagebuch.
  • Realistische Zielsetzung: Setze dir kleine, erreichbare Ziele. Jeder erreichte Meilenstein stärkt dein Selbstvertrauen und schwächt den inneren Kritiker.
  • Achtsamkeit & Gegenwartsfokus: Destruktive Zweifel nähren sich oft von Vergangenem (“hätte ich doch…”) oder Zukünftigem (“was, wenn…”). Übe, dich auf den gegenwärtigen Moment zu konzentrieren – auf deinen Atem, die Bewegungen deines Pferdes, die Geräusche im Stall.
  • Vergleiche dich (richtig): Höre auf, dich mit anderen zu vergleichen, deren Weg und Voraussetzungen du nicht kennst. Wenn überhaupt, vergleiche dich mit deinem früheren Ich und erkenne deine Fortschritte.
  • Arbeit mit dem inneren Kritiker (Introjekt): Wenn du merkst, dass deine Selbstkritik sehr tief sitzt und vielleicht biografische Wurzeln hat (wie im obigen Abschnitt zum Introjekt beschrieben – z.B. durch Eltern, für die eine gute Note nie gut genug war oder die immer auf Schwächen herumritten), kann es hilfreich sein, diesen inneren Anteil bewusst anzusprechen. Der Umgang damit: Frage diesen inneren Anteil (dein Introjekt), wovor er dich vielleicht (aus seiner damaligen Sicht gut gemeint, aber heute ungeschickt) beschützen will – oft ist es die Angst vor Ablehnung, dem Gefühl, nicht zu genügen oder den (damals) erlebten Konsequenzen von Fehlern. Manchmal hilft es, diesen Anteil wie eine reale, aber vielleicht etwas veraltete Figur zu behandeln. Erkenne seine ursprüngliche (vielleicht damals in einem bestimmten Kontext sinnvolle oder zumindest verständliche) Funktion an. Mache ihm dann aber freundlich, aber bestimmt klar, dass du heute als Erwachsene/r andere Ressourcen und Möglichkeiten hast, mit Herausforderungen umzugehen und für deine Sicherheit und deinen Wert selbst sorgen kannst. Du kannst ihm symbolisch neue, konstruktivere Aufgaben zuweisen oder ihn bitten, sich zurückzulehnen und dir zu vertrauen.

Hol dir Unterstützung: Sprich mit vertrauten Personen, deinem Trainer oder einem Mentalcoach. Gerade wenn es um tiefere Muster und hartnäckige Introjekte geht, kann professionelle Begleitung sehr wertvoll sein, um diese zu erkennen, ihre Botschaften zu verstehen und sie heilsam zu integrieren oder zu verabschieden.

Fazit: Deine Gedanken formen deine Realität im Sattel

Selbstzweifel sind menschlich, und ein gewisses Maß an Selbstreflexion ist sogar notwendig, um als Reiter zu wachsen. Die Kunst liegt darin, die nützlichen von den schädlichen Gedanken zu unterscheiden und zu lernen, wie du die Kontrolle über deinen inneren Dialog zurückgewinnst. Indem du nicht alles glaubst, was du denkst, aktiv gegen destruktive Muster angehst und vielleicht sogar die Wurzeln deiner Selbstkritik verstehst und bearbeitest, kannst du nicht nur dein Selbstvertrauen stärken und deinen Fokus schärfen, sondern auch die Beziehung zu deinem Pferd positiv beeinflussen und wieder mehr Freude am Reiten finden.

Was sind deine typischen Selbstzweifel? Und welche Strategien helfen dir, damit umzugehen? Erkennst du vielleicht sogar ein “Introjekt” bei dir, das dir das Leben und das Reiten schwer macht?

Wenn du Unterstützung dabei brauchst, deine mentalen Blockaden zu überwinden, deine Zweifel in konstruktiven Fokus zu verwandeln und vielleicht auch tieferliegende Muster wie Introjekte zu bearbeiten, dann komme gerne auf mich zu und vereinbare ein kostenloses Erstgespräch.

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